Ortsgeschichte der Gemeinde Fischbachtal

Zur Geschichte der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Niedernhausen

Die Kirche in Niedernhausen

Um 1850 verordnete Großherzog Ludwig III. von Hessen-Darmstadt, dass das auf die Filiale Niedernhausen entfallende Kirchenvermögen von dem der Kirchengemeinde Groß-Bieberau zu trennen und mit Zuschlag der Zinsen so lange anzusparen sei, bis das Kirchspiel Niedernhausen sich Kirche und Pfarrhaus erbauen und einen Pfarrer besolden kann.

 

Gründung der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Niedernhausen und Bau des Pfarrhauses

1877
Die Filiale Niedernhausen, bestehend aus Niedernhausen, Obernhausen, Lichtenberg, Steinau, Billings, Meßbach und Nonrod, wird von der ev. Kirchengemeinde Groß-Bieberau getrennt und eigenes Kirchspiel. Als Sitz des Pfarrers und Ort der Kirche wird der größte Ort, Niedernhausen bestimmt, der der Kirchengemeinde bis heute den Namen gibt.

1879
Bau des heutigen Pfarrhauses an der Darmstädter Straße. Mit dieser Anlage von Pfarrhaus, Remise (sog.  Wirtschafts­gebäude) und einem Areal, das von einer Natursteinmauer umfriedet ist, besitzt Niederhausen heute eine der wenigen noch erhaltenen, intakten Pfarrhofanlagen, die für Hessen zum Ende des 19. Jahr-hunderts im ländlichen Raum typisch sind.

Diese Anlage wurde 2003/2004 von Außen renoviert und der alte Zustand wiederhergestellt.

 
Bau der ev.-luth. Pfarrkirche in Niedernhausen
 
1890
Am 13. Mai erfolgt die Grundsteinlegung zum Kirchenneubau. Informationen bzgl. eines ev. Gotteshau-seslieferte das Bändchen von "Paul Tschackert, Über Evangelischen Kirchenbaustil, Berlin 1881".
  So kommt es zu einem Gotteshaus im neogotischen Stil mit Langhaus, seitlich versetztem Chor und Turm. Pfarrer Noack führt die Baumaßnahmen Pfarrhaus und Kirchenneubau durch. Die Kirche wird nach Plänen des Baumeisters Schwarze aus Mainz errichtet und unter Leitung von Maurermeister Kögel aus Groß-Bie-berau ausgeführt. Der Rohbau steht bis zum Winter mit eingedecktem Dach.
 
1891
Die Fenster werden von der Glasmalerei H. Beiler in Heidelberg im Stil der Nazarener gestaltet. Das Chorfenster zeigt die vier Evangelisten.

Ganz im Stil der Zeit erhält die Kirche eine in dunklen Farben gehaltene ornamentale Bemalung: einen ca. 180cm hohen Sockel und Bemalungen an den Fensterlaibungen. Altar, Kanzel und Taufbecken werden aus Holz gefertigt, die gusseisernen Säulen mit gotischem Sprengwerk versehen.
Leider gibt es aus den Anfangsjahren keine Innenaufnahme, die diesen gemalten Vorhang zeigt.

Die in Frankenthal gegossenen Glocken treffen am 3. Juli ein.
 

Die ev.-luth. Pfarrkirche wird am 26. November 1891 eingeweiht.

1893
Einweihung der Bechstein-Orgel am 21. Oktober.
1895
Es erfolgen erste Reparaturen, da sog.“Schwamm" festgestellt wird.
 
 
Erste Veränderungen im Kircheninnenraum
 
1933
Die Kirche wird im Innern weiß übertüncht, da sich die Gemeinde nicht mit dem dunklen ca. 1,80 m hohen gemalten „Vorhang“ abfinden konnte.
Wie hoch der „Vorhang“ reichte ist an der Chorwand unterhalb des Spruches an der Wand zu erahnen, da der untere Bereich etwas dunkler erscheint.
Gleichzeitig wird die erste Außenrenovierung des 1879 Pfarrhauses vorgenommen.
 
1942
Am 18. März werden die zwei größten Glocken der ev.-luth. Kirche in Niedernhausen zum Einschmelzen abge­holt.

 
 
Erste große Renovierung der Pfarrkirche Ende der 50er Jahre
 
1955
Renovierung des Kirchturmes, der nach eingehender Untersuchung doch nicht abgetragen werden muss und Wiederherstellung des Zifferblattes der Turmuhr.

1958 Erster Bauabschnitt: Innenrenovierung der Kirche:
Die schlanken, gusseisernen Säulen, die die Empore tragen, werden ummauert, das Sprengwerk entfernt. Errichtung eines Altares und einer Kanzel aus rotem Sandstein. Im Chor wird das neu gestaltete Fenster nach dem Entwurf des Kunstmalers August Peukert aus Großauheim von der Glasmalerei Münch aus Groß-Umstadt eingesetzt.

1959 Zweiter Bauabschnitt:
Neugestaltung der flachen Holzdecke und der Emporenbrüstungen durch die Schreinerei Gebrüder Meyer in Reinheim. Die Ausmalung wird nach Weisungen des Kirchenmalers Velte aus Darmstadt vorgenommen. Der Architekt Zimmermann aus Bürstadt entwirft die Wandleuchten, Altarleuchter, Lesepult und das Taufgerät, das vom Goldschmied Philipps in Darmstadt gearbeitet wird.

Am 5. Juli wird die Kirche wieder eingeweiht.

Das 1925 von Johannes Lippmann entworfene Ehrenmal wird umgestaltet und beider figürlichen Bildtafeln „entledigt".

 
1960
Veränderung der Disposition der Orgel durch Fa. Bosch/ Sandershausen.
 
1973
Ausbesserung des Kirchendaches.
 
1977
Instandsetzung des Kirchendaches, wobei das schmiedeeiserne Kreuz herunter genommen wird.
 
1979
Die Orgel wird an die Emporenrückwand vor das Rosettenfenster versetzt.

 

Zweite Renovierung der Pfarrkirche Ende der 80er Jahre
 

Ein Blick in den Kircheninnenraum Mitte der 80er Jahre zeigt den renovierungsbedürftigen Zustand. Die gesamte Innenraumgestaltung war wenig zufriedenstellend, so dass man sich bei der Renovierung entschloss, diesen neu zu gestalten. Dabei wurden nicht – wie bei der Renovierung in den späten 50er Jahren – Gegenstände aus der Kirche entfernt, sondern vielmehr in den neu zu gestaltenden Innenraum integriert (so die Kerzenleuchter an der Wand und das Apostelrelief).

1986
Planungsbeginn der Renovierung der Pfarrkirche: die 1958/59 gemachten Fehler bzgl. der Wegnahme des Sprengwerks zur Deckenabstützung verursachen zusätzliche Maßnahmen.
 
1987
Die Kirche erhält einen neuen Innenputz. Unter Verwendung alter Malereireste entwirft Kirchenmaler Peter Laros aus Bodenheim die Neuausmalung, bei der die historisierende ursprüngliche Ausmalung nicht wiederhergestellt wird. Statt dessen werden die Fenstergewände dem Maßwerk farblich angeglichen.
 
1989
Der neue Altar aus rotem Sandstein wird nach dem Entwurf von Jutta Emig von der Firma Haag aus Niedernhausen gearbeitet. Die Reste des alten Chorfensters (vier Evangelisten) werden verkleinert in das nördliche Chorseitenfenster eingesetzt, die anderen Fenster restauriert. Einrichtung einer Sakramentsnische in der südlichen Chorraumwand, die mittels eines schmiedeeisernen Gitters verschlossen wird.
 
 
Neugestaltung des Chorraumes und Kircheninnenraums
 
1989
Für die Chorwand schnitzt Karl Senoner aus St. Ulrich im Grödnertal eine Kreuzigungsgruppe, bestehend aus Kruzifix, trauernde Maria und Johannes der Evangelist, die nun den Altarraum prägt.
 
1989
Der aus 15 Stationen bestehende Kreuzweg aus Bronzereliefs des Künstlers J. Wäscher wird in der Kirche  unter der Längsempore angebracht. Neugestaltung der Emporenbrüstung mit Kasettenfeldern. Am 5. März wird die neu gestaltete Kirche mit einem Festgottesdienst wiedereröffnet.
 
1989
Die alten Wandleuchter an neuer Stelle unter der Seitenempore, bevor der Kreuzweg darunter angebracht wurde.
 
 
Eine vierte Glocke für die Pfarrkirche: Marienglocke
 
1991
Für die neue Glocke entwirft Jutta Emig das Bildnis: es zeigt Maria und Elisabeth stehend in einem Dreieck. Am Erntedankfest wird die neue Glocke im Rahmen eines Festgottesdienstes geweiht. Die ev.-luth. Pfarrkirche erhält den Namen St. Johannes der Täufer. Die Glocke ist „den Kindern und Frauen der Ev.-luth. Kirchengemeinde Niedernhausen zur 100-Jahrfeier der Pfarrkirche AD 1991“ gewidmet.
 
Glockenguß: 21. Juni 1991
Gießer: Gebrüder Rincker, Sinn/Hessen
Gewicht: 478 kg
Ton: g’
Glockenweihe: 6. Oktober 1991 (anläßlich des Erntedankfestes)
  
1992
Der Haupteingang zur Kirche wird neu gestaltet, so dass auch Rollstuhlfahrer die Kirche besuchen können.
 
 
Zur Mahntafel von Johannes Lippmann
 

2005
Zwei Gemälde des Odenwälder Malers Johannes Lippmann werden wieder in den Kirchenraum integriert.
Johannes Lippmann schuf mit den Gemälden Frau mit Kind und Soldat zwei flankierende Bilder für das sog. Ehrenmahl, das 1925 in der Pfarrkiche an der Längswand des Langhauses seinen Platz erhielt. Bereits während des Krieges, im Jahr 1916, hatte der Pfarrer angeregt, zu Ehren der Gefallenen des Kirchspiels, ein Denkmal in der Kirche und zum Schmuck der Kirche zu errichten. Mit der Realisierung einer Gedenktafel konnte somit im Winter 1924/25 begonnen werden. Die Tafel wurde Ende Februar 1925 fertig gestellt sein und dann an würdiger Stelle in der Kirche ihren Platz finden. Mit Johannes Lippmann (1858-1935) wurde ein Künstler verpflichtet, der bereits seit 1908 in Lichtenberg lebte und die Menschen und Verhältnisse vor Ort gut kannte.

 
Weitere Informationen:

 

(Dieser Text ist von der Kunsthistoriker/Historikerin Dr. Jutta Reisinger-Weber, 2007.)